Von Frustbewältigung, Stressabbau, Inspirations-Defizit und Psycho-Hygiene
All diese Wortvielfalt war der Generation meiner Eltern kaum bekannt. Ihr Leben, das ihrer Eltern und deren Vorfahren war der Notwendigkeit des reinen Überlebens untergeordnet. Ohne diese Generationen wäre ich gar nicht in der Lage, mich hier über den Sinn und Zweck des Lebens auszubreiten. Es ist, nebenbei gesagt, eine zweifelhafte Errungenschaft der Sprache unserer Zeit, dass es eine unendliche Anzahl von „gescheiten“ Worten gibt, um unerwünschte Zustände zu benennen, ohne dafür eine wirkliche Lösung zu haben. Sie lassen das Leben manchmal unnötig kompliziert erscheinen. Das Streben nach Einfachheit und Verständlichkeit im Leben macht von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet durchaus Sinn. Alle im Titel genannten Worte haben gemeinsam, dass sie Symptome dafür sind, dass die Seele unter Druck steht oder geraten ist. Ihn zu verringern treibt den Menschen seit langer Zeit in Suchtverhalten aller Art, um den Umständen zu entkommen oder deren Auswirkungen auf einen selbst zu lindern. Der Angestellte, der unter seinem Chef leidet und keine Lösung für sich sieht eine andere Stelle zu bekommen, hat Stress. Der Chef, der vergeblich versucht, den Angestellten seine Geschäftsidee zu vermitteln, erfährt Frust. Auf der Suche nach vernünftigen Auswegen scheitern sie beide mehrfach und ermatten immer mehr dabei. Sie fühlen sich ausgepumpt und leer, sozusagen „unbeseelt“. „Akademisch“ gesprochen: Ein klarer Fall eines „Inspirations-Defizites“. „Energiemanagement“ oder „Psycho-Hygiene“ ist hier die Frage. „Macht gar nüüt“, hätte Vater
Fredy kommentiert und als Erwiderung einen tiefen Schluck seines selbstgekelterten „Landenberger-Weines“ genommen. Die Mutter hätte dazu gesagt: „Oh Thomässli, du „Psycholog“!“, um mich dann in ihre Welt vergangener Familiengeschichten des Stammertals zu entführen. Diese individuellen Wege beim Versuch etwas nicht wissen zu wollen, finde ich wichtig. Ich schließe ja auch die Augen, wenn mich der Zahnarzt behandelt. „Nichtzuwissen“ ist eigentlich ein Grundrecht, eine wirkliche Fähigkeit gegenüber barer Ignoranz. Um es politisch korrekt im Zeitgeist zu formulieren: Das muss selbstverständlich mit viel Sozialkompetenz und umweltverträglicher Nachhaltigkeit gepaart sein.